Am 4. September 2018 hielt Volkert Engelsman, Geschäftsführer von Eosta mit der Eigenmarke Nature & More, die „Nachhaltige Thronrede“ („Duurzame Troonrede“) vor der Zweiten Kammer im niederländischen Parlament. Dies tat er in seiner Funktion als aktuelle Nummer eins im renommierten Nachhaltigkeitsranking der niederländischen Zeitung Trouw. In Trouw erschien auch eine gekürzte Fassung der Rede unter dem Titel „Wenn sich alles um Gewinn dreht, dann lasst uns bitte auch ehrlich rechnen“. Hier können Sie die vollständige Ansprache nachlesen, in der Engelsman nicht nur über die Notwendigkeit von True Cost Accounting spricht, sondern auch über Karma als Businessmodell, über die Kraft menschlicher Begegnungen, über den Effekt von Bio-Landwirtschaft auf Klima und Wasser – und darüber, wie wichtig es ist, gegen den Strom zu schwimmen.
Nachhaltige Thronrede, 4. September 2018
Schicksalsgefährten,
Was war das doch für eine wunderbare Idee meiner Vorgängerin Marjan Minnesma, die „Nachhaltige Thronrede“ mit der Anrede „Schicksalsgefährten“ zu beginnen! Dieses Wort kann natürlich eine gewisse Schwere beinhalten, im Sinne von: „Wir alle steuern auf eine ökologische und soziale Katastrophe zu, ohne dass jemand etwas dagegen unternehmen kann.“ So aber ist „Schicksalsgefährten“ natürlich nicht gemeint – dann hätte Frau Minnesma „Leidensgefährten“ gesagt, und das tat sie nicht. „Schicksal“ aber birgt immer auch die Initiative in sich, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und zum Guten zu wenden. Die sozialen und ökologischen Probleme dieser Zeit sind ein Spiegel, in dem wir uns selbst begegnen. Sie sind ein Weckruf – rufen uns auf, die Motive hinter unserem wirtschaftlichen Handeln und Streben von Grund auf neu zu denken. Zum Beispiel mit Hilfe anderer Schicksalsgenossen, wie sie hier und heute versammelt sind – und gemeinsam einen Unterschied zu machen. Jeder auf seine eigene, unverwechselbare Art. Sodass jeder von uns der Mensch werden kann, der er ist. In Südafrika heißt das Ubuntu und bedeutet so viel wie „Ich bin, weil wir sind“. Und um das noch einmal klarzustellen: Veränderung geht nie von einer opportunen Mehrheit aus, sondern immer von einer idealistisch motivierten, trendsetzenden Minderheit. Dafür ist ein gewisses Rebellentum nötig, zudem ich jede und jeden aufs Dringlichste aufrufen möchte! Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
Alte Gewinndefinition als letztes Hindernis
Wir leben in einer Zeit großer potentiell disruptiver Kräfte. Mit unseren natürlichen Ressourcen Klima, Artenvielfalt, Boden und Wasser stoßen wir an Grenzen, die niemand mehr von der Hand weisen kann. Ebenso wenig wie die sozialen Spannungen und Wanderbewegungen, die daraus resultieren. Das kitzelt überall auf der Welt einen Willen zur Veränderung hervor, der sich nicht aufhalten lässt. Auch nicht durch Trump und andere, Angst-getriebene „Mein Land zuerst“-Mächte. Und immer wieder geht daraus auch wirklich Gutes hervor: So bestätigte der Forscher Johan Rockström vom Stockholm Resilience Center kürzlich in einem im Magazin Nature veröffentlichten Artikel, dass die „Nachhaltigmachung“ in der Landwirtschaft inzwischen einen kritischen Punkt erreicht hat, von dem aus eine Rückkehr zu konventionellen Methoden unmachbar wird. Die Einsicht, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann, ist da. Entsprechende Maßnahmen und Regelungen liegen auf den Schreibtischen unserer Politiker. Ein Hindernis jedoch bleibt: unsere pervertierte Ökonomie, die noch immer den belohnt, der möglichst wenig Verantwortung für unseren Planeten übernimmt und am gedankenlosesten mit unseren Ressourcen umgeht. In der eine Gewinn-Definition hochgehalten wird, die weder gesellschaftliche noch ökologische Kosten berücksichtigt.
In ihrem Buch „Die Donut-Ökonomie“ vergleicht Kate Raworth unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem mit einem Kuckucksnest. Das Bruttoinlandsprodukt hat, als zuerst geschlüpftes Kuckucksküken, alle anderen Eier aus dem Nest geworfen und das Nest vollständig in Beschlag genommen. Laut Raworth wird es höchste Zeit, dass das BIP-Kuckucksküken das Nest verlässt und sich die Wirtschaftswissenschaft wieder auf neue Ziele und Werte konzentrieren kann, die Wohlstand für alle im Rahmen der Mittel und Möglichkeiten unseres Planeten ermöglichen.
Karma als Businessmodell
Vor nicht allzu langer Zeit war ich in Bhutan unterwegs. Ein kleines, isoliertes Königreich mit einem ganz eigenen Verständnis von Wohlstand, in dessen Mittelpunkt der Begriff Karma steht. Aus der Sicht der Bhutanesen sind Stein, Pflanze, Tier und Mensch eins und untrennbar miteinander verbunden. Alles, was man tut, hat diesem Verständnis nach Folgen für alle anderen. Ein Leben lang baut man Karma auf – es entscheidet darüber, wie dein nächstes Leben aussehen wird. Was du anderen oder dem Planeten antust, fällt früher oder später wieder auf dich zurück. Für die, die jetzt nervös auf ihren Stühlen hin- und her zu rutschen beginnen: das ist lediglich eine Arbeitshypothese. Wenn auch eine Faszinierende! Seien wir ehrlich: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“ (Albert Einstein). Es kann also nicht schaden, etwas abseits der ausgetretenen Wege zu denken. Alles, was du einem anderen antust, tust du dir selbst an. Das ergibt eine komplett neue Perspektive auf unser Wirtschaftssystem: Profit auf Kosten anderer ist dann plötzlich kein lohnenswertes Unterfangen mehr, denn der Schaden kommt von selbst zu dir zurück. Andere übers Ohr zu hauen heißt nichts anderes, als sich selbst übers Ohr zu hauen. Karma als Businessmodell. Ist nur so ´ne Idee.
Glücksindex als Quelle der Inspiration
2012 durfte ich im Auftrag von IFOAM, der internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen, ein Forum auf der Rio+20 Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung leiten. Dort lernte ich den Ministerpräsidenten von Bhutan kennen, Jigme Thinley. Wie Sie sicher wissen, wird in Bhutan der Lebensstandard anhand des Bruttonationalglücks gemessen. Hierzulande könnten wir so etwas den Nachhaltigkeitsindex oder den ganzheitlichen Wohlstands-Index nennen. Neben Geldflüssen würde so auch ökologischer, sozialer und kultureller Reichtum ermittelt und abgebildet werden können.
Als Monsanto auf den Bhutanesischen Markt zu drängen versuchte, gab man ihnen dort nur zur Antwort: Namasté, gehen wir doch kurz mal zusammen die Checkliste durch: Gentechnik, Pestizide, Monokulturen, das Risiko von Auskreuzungen, teures Saatgut, Bauern aus der dritten Welt noch abhängiger machen von Patenteigentümern aus der ersten Welt? Nein, sorry aber das lohnt sich nicht für uns. Aber kommen Sie doch gerne wieder, wenn Sie was haben, das besser abschneidet auf unserem Index. Schönen Tag noch.
Als ich also vor einiger Zeit in Bhutan unterwegs war und durch die herrliche Kultur und Natur fuhr, beschäftigte mich die Frage, wie der Bhutanesische Glücksindex, unsere westlichen Diskussionen über umfassendere Wohlstandsdefinitionen und das True Cost Accounting wohl in Zusammenhang gebracht werden könnten. In einem Restaurant in Thimphu kam ich mit einem jungen Kellner ins Gespräch. Ich fragte ihn, was er davon hält – vom Glücksindex seiner Regierung. Davon hätte er nicht wirklich eine Ahnung, gab er zu, wohl aber seine kleine Schwester. Die hatte nämlich gerade ihr Studium in Versicherungswissenschaft und Risikomanagement an einer indischen Universität beendet. Später traf ich besagte kleine Schwester – Tutu war ihr Name, eine fröhliche und unglaublich kluge junge Frau mit einem Faible für Mathematik, das genauso groß ist wie ihre Ideale. Sie suchte nach Wegen, das als weltfremd geltende und oft belächelte Bruttonationalglück Bhutans in knallharten Geldwerten ausdrücken zu können – denn nur diese Sprache versteht die alte Ökonomie, leider. Genau das war ja die Frage, über die auch ich schon so lange gegrübelt hatte! Und dann traf ich Tutu. Tja, manchmal laufen die Dinge so einfach. Also ist sie jetzt jedes Wochenende bei mir zu Hause zu Besuch, studiert die Woche über in Tilburg, macht ein Praktikum bei EY und forscht am Zusammenhang zwischen dem Bhutanesischen Glücksindex, den UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung und den verschiedenen westlichen True-Cost-Accounting-Modellen. Alles, was an ökonometrischer Weltfremdheit in unseren Großstädten herumläuft, verblasst im Angesicht eines solchen Mädchens aus Bhutan.
Bhutan ist übrigens nicht das einzige Land, das sich mit einem breit gestreuten Verständnis von Wohlstand auseinandersetzt. Im Mai 2018 hat das Statistische Amt der Niederlande (Centraal Bureau voor de Statistiek, CBS) den allerersten Monitor zum „umfassenden Wohlstand“ publiziert, der erstmals auch andere Faktoren als das Bruttosozialprodukt zur Ermittlung des Lebensstandards heranzieht. Ich bin neugierig, wozu uns die Bhutanische Idee des Glücksindex noch inspirieren wird. Vielleicht handeln wir ja bald mit Karma-Kursen an der Börse?
Ein bankrottes Modell
Bis es soweit ist, tappen wir weiter im Dunkeln durch die in Kate Raworths Buch genannten Grenzen unseres Planeten und die sozialen Defizite. Mit jedem weiteren Schritt untergraben wir unsere Fähigkeit, auch in Zukunft Güter, Waren und Dienstleitungen zu erzeugen. Wir sind süchtig nach kurzfristigen Profiten – wie ein Junkie, der von High zu High lebt und in diesem Zustand immer mehr an Vitalität einbüßt.
Es ist schon seltsam… Niemand wacht doch morgens auf mit der Idee: Heute will ich das Klima verpesten oder asiatische Kinder für einen Hungerlohn zur Arbeit zwingen. Und doch passiert genau das, jeden einzelnen Tag. Das nennt man „Fehler im System“. Scheinbar wird es höchste Zeit, eine Reihe von Werten in unser Marktsystem zu übernehmen, die wir auch als Menschheit dringend brauchen: People? Planet? Ubuntu? Karma?
Das alte Gewinnmodell ist in jedem Fall bankrott. Eigentlich hatten wir uns doch auf den Dreiklang People, Planet, Profit geeinigt – und doch ist es immer nur der Profit, der gewinnt. Shell-Chef Ben van Beurden sagt: „Wir pumpen weiter.“ Klar machen wir auch ein bisschen was für People und Planet – das sieht im Jahresbericht einfach besser aus. Und wir drucken beidseitig! Andere Unternehmer hingegen versuchen, einen echten Beitrag in Sachen Nachhaltigkeit zu leisten. Paul Polman von Unilever gehört dazu, aber auch er kommt nicht weit, weil er immer wieder zurückgepfiffen wird von seinen Aktionären, zu denen auch Pensionsfonds und Versicherungen zählen. Wir selbst also, denn wir sind letztendlich diejenigen, die in Pensionsfonds und Versicherungen einzahlen. Wissen Sie, was mit Ihrem Geld passiert?
Nachhaltigkeit auch in der Finanzwelt angekommen
Verglichen mit dem, wie es noch vor ein paar Jahren war, gibt es schon große Unterschiede. Etwas läuft nun von Grund auf anders. Nämlich, dass die Finanzwelt voll und ganz damit beschäftigt ist – mit Nachhaltigkeit. Mit einer Neudefinition von Gewinn. Mit einer Neubewertung von finanziellen Risikoanalysen. Nehmen Sie zum Beispiel Blackrock, die größte Investmentgesellschaft der Welt. Die nehmen nun soziale und planetare Nachhaltigkeitskriterien mit in ihre Kreditbewertung auf. Leistest du keinen Beitrag zu People und Planet, verlierst du schlussendlich deine Fähigkeit, in Zukunft Profit machen zu können. Die Natural Capital Coalition arbeitet an Modellen für neue Vermögensübersichten sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, in denen auch Rechenschaft über den Verbrauch sozialer und natürlicher Ressourcen abgelegt wird. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s, die die Kreditwürdigkeit von großen Multinationals und von Ländern beurteilt, hat vor kurzem Trucost übernommen – eine Firma, die sich auf die Monetarisierung von Kosten für die Gesellschaft spezialisiert hat. Das Financial Stability Board, eine internationale Organisation, die das globale Finanzsystem überwacht, hat eine Taskforce für klimabedingte Finanzinformationen ins Leben gerufen, die Klima-Stresstests durchführt, um klimarelevante Anlagerisiken zu ermitteln. Langsam beginnt Nachhaltigkeit Einzug zu halten in das RaRoC-System (Risk Adjusted Return on Capital), welches in Kreditinstituten zur Anwendung kommt.
Die fossilen Brennstoffreserven, die die Öl- und Gasindustrie in ihrer Bilanz ausweist, stellen eine potenzielle Treibhausgasemission von 2.500 Gigatonnen dar. Wollen wir die weltweite Klimaerwärmung auf 2 Grad begrenzen, dürfen wir noch maximal 500 Gigatonnen Treibhausgase in die Luft blasen. Das ist ein Fünftel der 2.500 Gigatonnen – die anderen vier Fünftel wären also unverkäuflich. In wirtschaftlicher Hinsicht heißt das: verlorene Vermögenswerte. Tschüss AAA-Rating.
In der Zwischenzeit kassiert der niederländische Staat laut Follow the Money von seinen Bürgern eine bis zu 25-fach höhere Umweltemissionssteuer als von den Großverbrauchern. Heißt im Klartext: Die Bürger zahlen für die Klimaschäden, die Shell verursacht – zusätzlich zu den 2 Milliarden Euro Dividende natürlich für die ausländischen Aktionäre. Shell kann das nicht selbst, weil es am Kapitalmarkt kein Geld mehr bekommt.
Bis hier hin scheint es so, als würde es vor allem ums Klima gehen. Aber das Klima kann nur der erste Schritt sein – die logische Folge ist, dass der Finanzsektor auch das Risiko von Bodenverarmung, Wasserverschmutzung, Artensterben, Gesundheitsschäden und weitere gesamtgesellschaftliche negative Auswirkungen in seinen Risikoanalysen berücksichtigt. Denn natürlich hängt alles mit allem zusammen. Nachhaltigkeit ist nicht mehr die exklusive Domäne des grünen Sektors. Nachhaltigkeit bricht aus ihrer grünen Blase aus und beginnt, in die Wirtschafts-DNA einzudringen.
Landwirtschaft, Klima und Wasser
Auch noch ein paar Worte zu Landwirtschaft und Ernährung – der Bereich, in dem ich als Unternehmer zu Hause bin. Zunächst ein paar Zahlen: 33% aller Treibhausgase gehen auf Landwirtschaft, Ernährung und Forstwirtschaft zurück. Pro Minute verlieren wir fruchtbare Ackerflächen so groß wie 30 Fußballfelder als Folge einer intensiven Bewirtschaftung. Laut einer Untersuchung der französischen Regierung sind pro Jahr 54 Milliarden Euro nötig, um das mit Pestiziden und Kunstdüngern verschmutzte französischen Grundwasser wieder zu reinigen.
Die versteckten Kosten für unsere Umwelt durch die Produktion von Nahrungsmitteln werden von der FAO auf 2,1 Billionen US-Dollar geschätzt. Die verborgenen Kosten für Mensch und Gesellschaft sind mit 2,7 Billionen US-Dollar sogar noch höher. Zusammen also 4,8 Billionen US-Dollar im Jahr. Unsere Lebensmittel müssten das Doppelte ihres Preises kosten, würde man die wahren Kosten ihrer Entstehung abbilden bzw. wieder bereinigen wollen.
Vor ein paar Monaten war ich zu Besuch bei einem unserer Bio-Traubenzüchter in Südafrika, Eddie Redelinghuys, in der Nähe von Kapstadt. Zu diesem Zeitpunkt herrschte eine Art Notstand in der Kap-Region. Day Zero als Schreckensszenario war allgegenwärtig – der Tag, an dem kein Wasser mehr aus dem Hahn kommen würde.
Ich war also einigermaßen überrascht, als ich bei Eddie ankam und dort smaragdgrüne Weinstöcke mit üppigen Trauben antraf. Ich wusste zwar, dass biologisch bewirtschafteter Boden viel widerstandsfähiger ist gegen Trockenheit als konventionell bewirtschafteter Boden. Das Bild vor Ort aber – wie eine Oase inmitten der Wüste – übertraf alle meine Erwartungen. Eddie berichtete sogar, dass er seinen konventionell arbeitenden Nachbarn jeden Tag noch mit Wasser versorgen würde, denn dieser hätte das ihm zugeteilte Bewässerungskontingent längst ausgeschöpft.
Den Unterschied machen die Bodenstruktur und der Gehalt an organischem Material im Boden aus. Als Biobauer verwendet Eddie keinen Kunstdünger, dafür aber diverse Pflanzen zur Gründüngung sowie Kompost. Kombiniert mit einer cleveren Bodenbearbeitung nimmt der Humusgehalt in der Erde zu – und damit gleichzeitig auch die Fähigkeit, Wasser wie ein Schwamm speichern zu können. So kommt Eddie auf dem sandigen südafrikanischen Boden mit bis zu 60% weniger Wasser aus!
Beobachtungen dieser Art sollten ein lauter Weckruf für unsere politischen Entscheidungsträger sein. Mit einer nachhaltigen Landwirtschaft, die bewiesenermaßen „Wasser-smart“ ist, können wir Milliarden Euro beim Wasserverbrauch und bei der Reinigung von verschmutztem Wasser einsparen!
Die ökologische Landwirtschaft ist nicht nur gut fürs Wasser, sondern auch für den Boden, für das Klima, für die Artenvielfalt und für unsere Gesundheit. Wie schön wäre es, wenn wir diese positiven nachhaltigen Effekten nicht nur messen, managen und vermarkten könnten – wie wir es seit Jahren mit unserer transparenten Eigenmarke Nature & More tun – sondern sie auch monetisieren könnten!
True Cost Accounting in Food & Farming
Weil wir genau das tun wollen – also den Nutzen als auch den Schaden unserer Lebensmittelproduktion zu berechnen – entstand gemeinsam mit unserer Tochterfirma Soil & More Impacts sowie der FAO, EY, der Natural Capital Coalition, IFOAM, TEEB und der Triodos Bank das Pilotprojekt „True Cost Accounting for Farming, Food and Finance" (dt.: Berechnung der tatsächlichen Kosten für Lebensmittel, Landwirtschaft und Finanzen). Anhang ein und derselben Berechnungsmethode, bestehend aus verschiedenen Nachhaltigkeitsindikatoren, wollten wir die tatsächlichen Kosten, die für uns als Gesellschaft entstehen, sichtbar machen. Pro Hektar Anbaufläche für den Bauern, pro Kilo Obst oder Gemüse für den Endverbraucher und in einer Gewinn- und Verlustrechnung für unser Unternehmen sowie für die damit verbundenen Interessengruppen. Damit es primär pragmatisch und einfach skalierbar bleibt, haben wir die 20/80-Regel angewendet: Wir haben 20% aller relevanten Nachhaltigkeitsindikatoren ausgewählt, die 80% der Wirkung ausmachen.
2017 konnten wir die Ergebnisse unseres Pilotprojekts an Prince Charles in Wales und an Peter Bakker, Präsident des World Business Council for Sustainable Development, in Stockholm überreichen. Es schien, als hätten wir damit genau den Nerv der Zeit getroffen, so überwältigend waren die Reaktionen.
Aus unseren Berechnungen ging unter anderem hervor, dass Bio-Äpfel 19 Cent pro Kilo „gesünder“ sind als herkömmlich erzeugte Äpfel. Einfach durch den Unterschied an Pestizidrückständen. Kalkuliert anhand von Rechenmodellen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Aber auch in den Bereichen Boden, Wasser und Klima sahen wir geldwerte Unterschiede zwischen Bio und Konventionell, mal kleiner, mal größer. Eines aber war klar zu erkennen: die externen Kosten der untersuchten Bioprodukte waren substanziell und strukturell niedriger.
Nicht Bio ist teuer, konventionell ist zu billig
Unter dem Motto „Bio ist nicht teuer, konventionell ist zu billig“ starteten wir eine breit angelegte Kommunikationskampagne, gemeinsam mit unseren Handelspartnern in ganz Europa. Ein überzeugender True-Cost-Accounting-Bericht ist natürlich wichtig für Unternehmer und politische Entscheidungsträger, aber noch besser ist es, wenn man diese Informationen bis in den Laden bringen kann. Denn der Verbraucher, ein schlafender Riese, hat ein Recht auf dieses Wissen – schließlich hat seine Kaufentscheidung in der Masse eine gewichtige Stimme. Wird ihm dieses Wissen vorenthalten und die Möglichkeit einer freien Entscheidung nicht gegeben, ist es klar, dass er im berühmten Wettrennen nach unten auf der Suche nach den kleinsten Preisen mitmacht – auf Kosten von Mensch und Mitwelt.
Keine Nachhaltigkeit ohne Transparenz. Kein gesellschaftlicher Mehrwert ohne eine wirtschaftliche Gegenleistung. Oder wie mir ein Bauer letztens im Gespräch sagte: Wie kann ich grün werden, wenn ich rote Zahlen schreibe?
Ernährung und Landwirtschaft im Jahr 2040
Mit Dank an die TransitieCoalitie Voedsel, einem Zusammenschluss niederländischer Unternehmen, die sich für eine Ernährungswende einsetzen, möchte ich mit folgendem Wunsch schließen:
In 2040 ernähren sich alle Niederländer gesund, lecker und nachhaltig. Alle Handelsbeziehungen und Transaktionen in Landwirtschaft und Gartenbau finden statt auf Basis von: Vollständiger Transparenz, Realwerten und fairen Marktverhältnissen.
Ausgehend von diesen Prinzipien läuten die Niederlande eine Trendwende im internationalen Markt ein. Die Niederlande gelten dann nicht mehr als das Land mit den meisten Nahrungsmittelexporten weltweit, sondern als die führende Nation in Sachen Nachhaltigkeit, Transparenz und Gesundheit.
Das heißt konkret:
- der Humusgehalt unserer Böden ist auf einem guten Stand
- unser Grundwasser ist frei von Kunstdüngern, Agrarchemie und Medikamentenrückständen
- die Artenvielfalt ist wiederhergestellt und gilt als der wichtigste Indikator für Resilienz in der Landwirtschaft
- Treibhausgasemissionen, die in Zusammenhang mit Landwirtschaft und Ernährung stehen, sind auf null reduziert worden, unsere Böden fungieren wieder als Kohlenstoffspeicher
- Kosten und Nutzen unserer Lebensmittel und ihrer Produktion für Mensch und Umwelt werden vollständig sichtbar gemacht, monetarisiert und sind im Verkaufspreis enthalten
- nachhaltiges Produzieren und Konsumieren wird durch steuerliche Vorteile und eine entsprechende Gesetzgebung stimuliert, gegenteiliges Verhalten wird bestraft
- Patienten bekommen von ihren Ärzten erst eine ausführliche Ernährungsberatung, bevor sie Medikamente beschrieben bekommen
- gesunde Ernährung und eine gesunde Lebensweise sind Ausbildungsschwerpunkte aller im Gesundheitswesen Tätigen
- Kenntnisse über natürliches, soziales und spirituelles Kapital sind fester Bestandteil eines jeden Wirtschaftsstudiengangs, ebenso wie die dazugehörigen Berechnungsmodelle
- Supermärkte verkaufen keinen Dreck mehr und haben sich zu lokalen Gesundheitszentren entwickelt.
Diesen Punkt in der Ferne nicht aus den Augen lassen, Mitstreiter suchen und loslegen!
Dream, Dance, Deliver („Träumen, Tanzen, Abliefern“) nennen wir das in unserem Unternehmen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Umweg.
Schicksalsgefährten, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Volkert Engelsman